1

verloren im Dresdner Bahnhof
suchen
wenn ich in deine Augen schaue
sag was zu mir
antworte mir
sprich mit mir
sag etwas,
rede, rede
egal worüber
egal wohin das führt
und wenn wir Brücken errichten müssen
und Mauern nieder brennen
lass es uns tun, sollen sie fallen
und wenn wir dafür morden müssen
lass es uns tun, sollen sie sterben
die Unwissenden,
die Liebe noch für normal halten
und ihre Gerüchte streuen
sich erfreuen am Gestank der Verlierer
die Geplanten, die Abgesteckten
die Isolierer,die Orientierten
die sich die Erde untertan gemacht
und die anderen verfolgen
oder verfolgen lassen, das ist schlimmer
Wenn du da bist, kann ich sie erkennen
Wenn du da bist, glauben mir die anderen
Wenn du da bist, dann gibt es keine Zweifel
und es siegt weder Vernunft noch Wahnsinn,
auch keine Liebe,
weil sie macht das alles auch wahr
all den Unsinn,
die Wahrheit, die sie falsch verstanden
die Zufriedenheit, die sie erlernt
und die Ruhe, die sich trügerisch
um sie zuzieht
drum bleib lieber verschwunden und
schweige lieber still
dein Mundwerk ist auch verräterisch
und laut und dumm und jung
deine Lippen sagen auch nur,
was sie selbst brauchen
und was sie selbst sehen
können die Augen und Ohren
noch nicht korigieren, vielleicht nie
Also bleibe fort und versteckt
in deiner Hütte, in deiner Höhle
geh weiter weg, hinters Meer
über und über Millionen Meilen
fort
und wenn du gehst und
einer Richtung folgen willst,
dann sag mir bitte wohin.

Edgar Horchmann, aus „vermisste Texte und das L-Wort“